Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Silverstone

LEWIS HAMILTON: Er bleibt einfach der Mann der Rekorde. Zu Hamiltons sieben Formel-1-Weltmeisterschaften und jeweils 104 Grand-Prix-Siegen sowie Pole Positions gesellten sich am Sonntag mit seinem Silverstone-Erfolg zwei neue Bestmarken: Der 39-Jährige gewann zum neunten Mal im "Home of British Motor Racing", kein anderer Fahrer in fast 75 Jahren Formel 1 hat genauso oft auf einer einzigen Strecke triumphiert. Und: Zwischen Hamiltons erstem Sieg in Kanada 2007 und dem jüngsten Triumph liegen 17 Jahre und ein Monat, auch das ist Rekord. Vor allem aber hat Hamilton sich selbst bewiesen, dass er es noch kann nach der umstritten verlorenen WM 2021 an Max Verstappen und unglaublichen 945 Tagen ohne Rennsieg. Sein Teamchef Toto Wolff sprach von einem "Märchen", Sebastian Vettel adelte seinen Freund und einstigen Rivalen als "GOAT", als Größten aller Zeiten. Hamilton selbst erklärte erleichtert: "Ich habe vorher noch nie geweint bei einem Sieg. Es kam einfach aus mir heraus."

Hamilton mit seinem Renngingenieur Peter Bonnington (l.)
Credit:

AFP, SID, BENJAMIN CREMEL

MCLAREN: Während Hamilton mit der britischen Flagge auf den Schultern jeden umarmte, der seinen Weg kreuzte, zog sich Norris kurz nach dem Rennen zurück und trauerte um seine verlorene Chance. Im Regen- und Reifenpoker fällte der Fanliebling gemeinsam mit seinem Team eine Entscheidung, die den ersehnten Heimsieg kostete. Auch wenn Norris mittlerweile auf jeder Strecke ein Sieganwärter ist und er auch am Sonntag immerhin Dritter wurde, regierte der Frust: "Wir waren die Schnellsten, aber wir haben nicht gewonnen. Das ist sehr enttäuschend." Das alles wäre zu verkraften, aber es ist nicht zum ersten Mal passiert. McLaren hat den Speed, ist aber eben deswegen noch kein absolutes Topteam.

MAX VERSTAPPEN: Die WM-Führung auf Norris auf 84 Punkte ausgebaut, an einem schwierigen Rennwochenende unter widrigen Bedingungen Platz zwei geholt - in der Welt von Max Verstappen braucht es aber schon etwas mehr, um zufrieden abzureisen. Der Red-Bull-Star haderte mit der Inkonstanz und Biestigkeit seines Rennwagens und suchte nach der alten Dominanz. Die ist dahin, doch in der breit gewordenen Spitze der Formel 1 mit ihm selbst, sowie den beiden McLaren, Mercedes und Ferrari ist eben keiner so nervenstark und konstant wie er. Und so bleibt der Niederländer der logische WM-Favorit, bei zwölf ausstehenden Grand Prix könnte er sich auch drei Nullrunden leisten und wäre immer noch vorn. WM-Titel Nummer vier winkt.

SERGIO PEREZ: Wer die Sieganwärter der Formel 1 aufzählt, der spart derzeit den Namen von Verstappen-Teamkollege Sergio Perez aus. Der Mexikaner konnte in dreieinhalb gemeinsamen Jahren nie mit dem Niederländer mithalten, das Leistungsgefälle in diesem Jahr ist aber so eklatant, dass selbst trotz Verstappens deutlicher Führung in der Fahrer-WM der Gewinn der Konstrukteursmeisterschaft gefährdet scheint. In Silverstone patzte Perez mal wieder im Qualifying, setzte im Rennen bei der Reifenstrategie alles auf eine Karte und tuckerte mit zwei Runden Rückstand auf Hamilton als 17. ins Ziel. Angeblich gibt es eine Vertragsklausel, dank der Red Bull sich im Sommer trotz Vertrags bis Ende 2026 fristlos von ihm trennen könnte. Demnach kann Perez sich aus eigener Kraft retten, wenn er mit höchstens 100 Punkten Rückstand auf Verstappen in die Sommerpause geht - zwei Rennen vor dem Break sind es 137. "Es war einfach ein Albtraum vom einem Rennens", kommentierte Perez.

NICO HÜLKENBERG: Zwei Top-Sechs-Ergebnisse in Folge sind Nico Hülkenberg seit fast sechs Jahren nicht mehr gelungen. Umso logischer, dass der Emmericher es genießt, mit seinem stetig besser werdenden Haas die Fachwelt zu verblüffen. Ob Hülkenberg manchmal schon ins Jahr 2025 vorausblickt? Dann wird er für Sauber fahren, das ab 2026 das Audi-Werksteam sein wird. Die Möglichkeiten in einem Werksteam sind größer, auch Hülkenbergs Einkommen wird steigen, doch im Moment ist Sauber noch ohne jeden WM-Punkt Letzter. Hülkenberg allerdings hat auch schon Haas deutlich nach vorne gebracht.