Paralympics

Paralympics 2024: Das sind die deutschen Stars und Medaillenhoffnungen

Vom 28. August bis 8. September finden in Paris die Paralympischen Spiele statt. Deutschlands Chancen auf Gold stehen dort mindestens so gut wie bei Olympia. Sports Illustrated stellt einige der besten deutschen Para-Sportler vor.

Para-Weitspringer Markus Rehm
Credit: Imago


Markus Rehm: Para- Weitsprung

"Ich lasse mich nicht behindern", schreibt Markus Rehm auf seiner Website. Dass er das auch meint, beweist der gebürtige Göppinger, der seinen rechten Unterschenkel 2003 bei einem Wakeboard-Unfall verlor, seit vielen Jahren. Seit 2011 ist Rehm im Para-Weitsprung unbesiegt. Seine Bestweite von 8,72 Metern ist nicht nur Weltrekord in seiner Wettkampfklasse T64, sondern auch der weiteste Sprung eines deutschen Weitspringers überhaupt.

Kein Wunder also, dass der viermalige Paralympics-Sieger seine Herausforderungen längst abseits der paralympischen Konkurrenz sucht. Doch die Teilnahme an internationalen Wettbewerben der Athleten ohne Behinderung blieb dem Orthopädiemechaniker-Meister bislang versagt. Der Grund: mögliche Vorteile beim Absprung durch seine Prothese – ob letzten Endes ein wettbewerbsverzerrender Vorteil besteht, ist bislang unbewiesen. Ob der 35-Jährige je bei Olympia teilnehmen können wird, bleibt ungewiss. Markus Rehm steckt sich seine Ziele aber ohnehin selbst. Das nächste: die 9-Meter-Marke überspringen – das wäre Weltrekord.

Merle Menje: Rennrollstuhl-Fahren

"@racingmerle_" lautet der Instagram-Handle der 19-jährigen Merle Menje. Und selten passte ein Name besser. Denn die von Geburt an querschnittsgelähmte Mainzerin ist die Vielstarterin der Rennrollstuhl-Szene, rast der Konkurrenz ihrer Schadensklasse T54 auf den Sprintdistanzen 100, 200 und 400 Meter genauso davon wie auf den Halbdistanzen 800, 1.500, 5.000 Meter sowie im Marathon. Im Winter widmet sich Menje obendrein dem Langlauf, auch das mit paralympischen Ambitionen.

Das International Paralympic Committee (IPC) benannte sie in Anlehnung an Dirk Nowitzki als "German Wunderkind", als sie mit 16 Doppel-Europameisterin wurde. In die Spiele diesen Sommer in Paris geht Merle Menje, die vielfache Deutsche Meisterin, mit den besten Empfehlungen von der Para-WM im Mai in Japan: Silber über 5.000 Meter, Gold über 800 Meter und Bronze über die 1.500 Meter. Was für eine Vielseitigkeit! Menje kommentierte ihren Dreifach-Erfolg bündig, aber treffend mit: "Total crazy.

Léon Schäfer: Para-Weitsprung /-Sprint

Léon Schäfers Mentor Heinrich Popow meinte über Schäfer gegenüber dem NDR einmal, dass er nie ausdrücklich über Inklusion reden müsse, denn Léon "kommt über seine Ausstrahlung und Leistungsfähigkeit. Er verkörpert einfach Leistungssport und trägt das auch in die jüngere Generation." Was Popow damit meint? Beispielhaft war die WM 2023 in Paris, bei der Schäfer seinen Titel verteidigte, im sechsten und letzten Durchgang.

Nicht nur, dass er 7,25 Meter sprang und damit seinen eigenen Weltrekord in der Schadensklasse T63 (anders als Markus Rehm fehlt Schäfer auch das Knie seines rechten Beines) verbesserte: Es ist das Selbstbewusstsein, es sind die Ohrringe, die Tattoos, das Durag à la LL Cool J, das er an diesem Tag auf dem Kopf trug, die alles andere verkörpern als den Hilfsbedürftigen mit Behinderung. Der heute 27-Jährige, fünffacher Para-Weltmeister (3 x Weitsprung, 2 x im Sprint) sitzt am Steuer seines Schicksals, das seinen Lauf nahm, als bei ihm mit zwölf Knochenkrebs festgestellt wurde.

Niko Kappel: Para-Kugelstoßen

Eines der Markenzeichen von Para-Kugelstoßer Niko Kappel ist seine Energie. Nicht nur gelungene Stöße (die man vom 1,41 Meter großen Schwaben häufig sieht) feiert er lautstark. Auch zu Interviews und anderen Pflichtterminen erscheint der Inklusionsbeauftragte des Deutschen Leichtathletik-Verbandes mit einem Lächeln und dem ein oder anderen lustigen Satz auf den Lippen. Der "SZ" antwortete der Weltmeister von 2017 und 2024 kürzlich auf die Frage, was bei einem Wettkampf denn das Wichtigste sei: "Fit sein, ruhig bleiben und immer das Formular für den Weltrekord dabeihaben."

Ein äußerst wichtiges Papier, wie Kappel weiß. Schon 2020 wurde Kappel ein Weltrekord aufgrund eines Formfehlers aberkannt. Nicht so im vergangenen Mai im baden-württembergischen Hechingen, wo der 29-Jährige die vier Kilogramm schwere Kugel auf 15,07 Meter stieß und damit den eigenen Weltrekord in seiner paralympischen Klassifizierung F41 um acht Zentimeter überbot. Alle, die mussten, unterschrieben das Dokument – der Weltrekord war eingetütet. Ein Drucker fände sich im Stade de France bestimmt.

Elena Semechin: Para-Schwimmen

"Wenn du morgen sterben müsstest …", so beginnen für die schwer sehbehinderte Schwimmerin Elena Semechin seit ihrer Krebsdiagnose im Herbst 2021 immer wieder Fragen, die zum Beispiel enden auf: "… was würdest du dann heute noch tun wollen?" Fragen, die sich die heute 30-Jährige bis zum 14. Oktober 2021, als der Anruf aus der Charité kam, nicht zu stellen brauchte. Nur Wochen zuvor hatte die gebürtige Kasachin, bei der im Alter von sieben die degenerative Netzhauterkrankung Morbus Stargardt diagnostiziert wurde, paralympisches Gold über die 100 Meter Brust gewonnen.

Zum Zeitpunkt des Anrufs war sie beim Aussuchen von Eheringen, mit ihrem Trainer und heutigen Ehemann Phillip Semechin. Das Paar heiratete im November. Zwei Tage später wurde sie operiert, ihr der Tumor entfernt. Semechins erste Frage nach der OP lautete: "Wann kann ich wieder trainieren?" Seither ist sie nicht nur sportlich wieder erfolgreich, sie sprang auch Fallschirm, machte einen Tauchkurs – ein paar ihrer Antworten auf die Frage: "… was würdest du dann heute noch tun wollen?"

Johannes Floors: Para- Sprint

"Die beste Entscheidung meines Lebens", sagt Johannes Floors, sei jene für die Amputation seiner Unterschenkel gewesen. "Obwohl damals eine recht ungewisse" – denn trotz seiner beidseitigen Fibula-Aplasie (Floors kam ohne Wadenbeine und mit fehlgebildeten Füßen auf die Welt) war Floors ein hervorragender Sportler, im Schwimmen holte er für den Deutschen Behindertensportverband Silber und Bronze im Becken bei der Junioren-WM 2010 – mit 15. Kurz darauf dann die Entscheidung für die Amputationen.

"Mein Heranwachsen war im Grunde von starken Schmerzen geprägt", sagt Floors, der sich gegen ein Leben im Rollstuhl und für eines auf Prothesen entschied. 1,80 Meter groß statt 1,60 Meter. Und blitzschnell. So schnell wie kein anderer beidseitig amputierter Mensch – 10,54 Sekunden auf die 100 Meter. Der gelernte Orthopädietechniker und studierte Maschinenbauingenieur ist vielfacher Weltmeister und zweifacher Paralympics- Sieger. Vor Paris lässt er wissen: "Mein Fokus liegt ganz klar darauf, Gold über 400 Meter zu gewinnen."



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