Paralympische Spiele

Johannes Floors: "Möchte zeigen, dass Einschränkungen keine Rolle spielen"

Johannes Floors ist einer der schnellsten Para-Sprinter der Welt. Im Sports-Illustrated-Interview spricht der 29-Jährige über die Amputation seiner beiden Unterschenkel, das Thema Inklusion sowie seine Ziele für die Paralympics 2024 in Paris.  

Para-Sprinter Johannes Floors
Credit: Imago
  • Johannes Floors spricht über beide Bein-Amputationen
  • Paralympics 2024: Sprinter Floors will wieder nach Gold greifen
  • Floors: "Ich möchte zeigen, dass Einschränkungen keine Rolle spielen"

Sports Illustrated: Wie fühlt es sich an, auf Ihren Sportprothesen zu laufen und zu sprinten – in Ihrem Fall so schnell wie kein anderer in Ihrer Wettkampfklasse? 

Johannes Floors: Laufen und Sprinten sind und bleiben für mich immer ein tolles Gefühl. Selbst nach zehn Jahren im Leistungssport merke ich, wie dieses Gefühl, etwas zu tun, was ich 16 Jahre lang nicht konnte, noch immer ein riesiger Motivator für mich ist. Dann auch noch der Schnellste der Welt zu sein, ist natürlich fantastisch, macht mich stolz und zeigt mir, wofür sich der Fleiß und das kontinuierliche Training auszahlt. Ist aber auch gleichzeitig Ansporn, dieses Niveau zu halten oder sogar besser zu werden. 

Sports Illustrated: Sie wurden mit einer beidseitigen Fibula Aplasie geboren, Ihnen fehlen also jeweils die Wadenbeine, ihre Füße waren fehlgebildet. Ein Zustand, mit dem Sie die ersten 16 Jahre Ihres Lebens, das heißt vor den Amputationen und der Prothesenversorgung, lebten. Wie fühlte sich das an? Und was führte schließlich zur Entscheidung für die Amputationen? 

Floors: Mein Heranwachsen war im Grunde geprägt von starken Schmerzen. Mit zunehmendem Alter konnte ich keine zehn Minuten mehr am Stück stehen, Schulausflüge waren nahezu ein Ding der Unmöglichkeit und auch der Sportunterricht war fast immer schmerzhaft. Zusätzlich war ich aufgrund der zu kurzen Beine auch immer der Kleinste. Doch davon wollte ich mich nicht aufhalten lassen und habe trotzdem fast überall mitgemacht, aber es war eben schnell schmerzhaft. Und schlussendlich stand ich vor der Entscheidung: Rollstuhlunterstütztes Leben oder Amputation und Prothesen. Ich habe mich für die Amputation entschieden. Obwohl damals eine recht ungewisse Entscheidung, war es die beste meines Lebens. Ich kann alles machen, was ich möchte, bin in keinster Weise eingeschränkt und vor allen Dingen schmerzfrei. 

Sports Illustrated: Sie sind neben dem Sport auch ausgebildeter Orthopädie-Techniker und studierter Maschinenbau-Ingenieur. Worum geht es in der optimalen prothetischen Versorgung amputierter Menschen – um Ihnen ein selbstbestimmtes und (falls gewollt) auch sportliches Leben zu ermöglichen? 

Floors: Mit einer Prothesenversorgung wird versucht, genau das Körperteil zu ersetzen, welches fehlt oder abgenommen wurde. Grundlegendes Ziel dabei ist ein möglichst normales Gangbild hinzubekommen, um zu verhindern, dass die gesunde Seite zu viel kompensiert und fehlbelastet wird. Dazu ist ein gut sitzender Schaft das A und O, aber auch die Wahl von einem vernünftigen Prothesenfuß ist wichtig. Zu der Versorgung mit Prothese gehört aber in jedem Fall auch Training, denn keine Prothese geht von allein und es ist auch so, dass normales Gehen für Prothesenträger in etwa doppelt so anstrengend ist wie für Menschen ohne Prothese. Also ist der Alltag quasi auch schon Sport. Wenn dann alles passt, gibt es kaum noch Einschränkungen im Alltag. Sport ist mit einer Alltagsprothese auch möglich, für alles was allerdings mit Laufen zu tun hat ist eine Sportprothese mit Blade aber deutlich besser geeignet. 

Sports Illustrated: Was halten Sie vom Vorwurf des Techno-Dopings im Para-Spitzensport, der unter anderem Ihrem ehemaligen Staffel-Kollegen, dem Top-Weitspringer Markus Rehm, ja häufig gemacht wird? 

Floors: Leider werden solche Dinge immer wieder von Menschen in den Raum geworfen, die sich nicht sonderlich intensiv mit dem Para-Sport auseinandergesetzt haben. Die Sportprothese ersetzt lediglich den fehlenden Unterschenkel, von Doping kann in keinster Weise die Rede sein. Zudem starten Prothesenträger bei den Paralympics nur gegeneinander. Einen unfairen Wettbewerbsvorteil durch die Prothese verschafft sich dort keiner. Auch wenn es schon mehrfach versucht wurde, gibt es keine Möglichkeit die Vorteile und die Nachteile gegeneinander aufzuwiegen und ein klares Gesamtresultat zu finden. Das ist mit olympischen Athleten nicht vergleichbar. Es gibt allerdings keinen Grund, nicht auch gemeinsame Wettkämpfe stattfinden zu lassen und gegeneinander anzutreten. Am Ende geht es um schnelle Zeiten und große Weiten und die findet man am ehesten in einem Wettkampf auf Augenhöhe. 

Sports Illustrated: Sie gelten als "The fastest man on no legs", halten in Ihrer Startklasse T62 mit 10,54 Sekunden den Weltrekord über 100 Meter. Was denken Sie: Liegt für Sie oder einen anderen beidseitig amputierten Athleten in Zukunft eine Zeit unter zehn Sekunden im Bereich des Möglichen? 

Floors: Ich denke die Zeit von 10,54 Sekunden ist keine Zeit, die ewig stehen wird. Eine Zeit unter 10 Sekunden ist davon allerdings noch mal ein ganzes Stück weit entfernt. Auch wenn eine halbe Sekunde nicht nach viel klingen mag, so ist das im 100-m-Sprint eine ganz andere Dimension, von der glaube ich noch lange geträumt wird. 

Sports Illustrated: Was wünschen Sie sich für die Inklusionsarbeit im internationalen Sport und der Gesellschaft für die nahe Zukunft? Wo liegen ungenutzte Möglichkeiten? In welchen Bereichen würden Sie sich noch mehr Chancengerechtigkeit wünschen? 

Floors: Inklusion ist dann erreicht, wenn wir das Wort Inklusion nicht mehr benötigen. Sportbezogen wünsche ich mir mehr Präsenz bei attraktiven Wettkämpfen und Rennserien, wie in der Diamond League, aber auch auf nationaler Ebene, die bisher fast nur den olympischen Athleten vorbehalten sind. Ich glaube, der paralympische und olympische Sport können beide immens voneinander profitieren, vor allem wenn es um das Thema Nachwuchsgewinnung und Motivation geht. 

Para-Sprinter Johannes Floors
Para-Sprinter Johannes Floors
Credit: Samsung
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Sports Illustrated: Sie (wie auch Markus Rehm, ihr Teamkollege von Bayer Leverkusen), gehören zu den besten Leichtathleten Deutschlands – mit und ohne Behinderung. Warum, glauben Sie, blieb Ihnen die Teilnahme an DLV-Meisterschaften bislang versagt? 

Floors: In den vergangenen Jahren war es möglich, sich mit dem DLV so zu einigen, dass ich in den Sprintdisziplinen außerhalb der Wertung, und somit nur im Halbfinale starten kann, mit der Voraussetzung, die Norm für die Deutsche Meisterschaft zu erfüllen. Warum es dieses Jahr nicht wieder möglich ist, kann ich mir nicht erschließen. 

Sports Illustrated: Sie sind bereits zweifacher Paralympics-Sieger, gewannen Gold über die 4x100 Meter in Rio und über 400 Meter in Tokio. Welche Rechnung(en) haben Sie mit den Paralympics noch offen? Wo liegen Ihre Ziele für Paris? 

Floors: Mein Fokus liegt ganz klar darauf, Gold über 400 Meter zu gewinnen. Über die 100 Meter möchte ich bei der Medaillenvergabe ebenfalls ein Wörtchen mitreden, allerdings ist dort durch die einseitig-amputierten Mitstreiter der Wettbewerb deutlich enger. 

Sports Illustrated: Für die Paralympics in Paris werden Sie von Samsung gesponsort. Inwiefern spielt Technologie eine Rolle in Ihrem Training – oder auch in der Vorbereitung für die Paralympics? 

Floors: In meinem Training vertraue ich viel auf die Augen meines Trainers. Der weiß, wie ich laufe und sieht genau, wo und vor allem wie ich mich verbessern kann. Für die Start- und Technikanalysen arbeiten wir auch mit Video- und Zeitlupenaufnahmen, für die wir dann mein Samsung Galaxy Smartphone oder Tablet nutzen. So können wir schnell und jederzeit die Szenen gemeinsam durchsprechen und immer wieder anschauen bzw. auch vergleichen. Die Erkenntnisse fließen in Korrekturen und ins Training ein. Zusätzlich achte ich auf den Prothesenaufbau, also die Stellung von Blade zum Schaft. Dies ist allerdings mehr Thema für die Wintersaison. So kurz vor den Paralympischen Spielen wird an der Prothese nichts mehr verändert. 

Sports Illustrated: Sie sind Vorbild für viele junge Para-Sportler. Was motiviert Sie, selbst während der Vorbereitung auf die Paralympics, so aktiv auf den Social Media Kanälen zu sein?  

Floors: Die Social Media Plattformen sind die Kommunikationskanäle der heutigen Zeit und mein Samsung Galaxy Smartphone habe ich immer dabei. Ich möchte zeigen, dass Einschränkungen oft keine Rolle spielen und mit Fleiß und dem richtigen Mindset wirklich viel erreicht erreicht werden kann und die Grenzen des Möglichen verschoben werden können. Wenn ich diese Message über Social Media verbreiten und andere damit inspirieren kann, dann mache ich das mehr als gerne. Vor allem aber auch andere Amputierte, die vielleicht gerade in den Anfängen ihrer Versorgung stehen und viele Fragen haben oder nicht wissen, was alles möglich ist. Denen kann ich zeigen: Hey, du kannst das schaffen. 



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